Von Knochen, Tempeln und weltgrößten Bollwerken

Liebe Blog-Freundinnen und -Freunde,

nun sitzen wir hier und frieren fast 🙂 … es sind ganz plötzlich nur noch 25 Grad! So war das nicht geplant mit „schickt uns mal ein paar Wärmegrade nach Deutschland“. Jetzt haben wir versehentlich die ganze Hitzefront verschoben. Sorry, aber wir hoffen, es wird nicht zu extrem!

Wir sind nach unserem Ausflug ins Landesinnere nämlich wieder am Meer gelandet, um uns zu erfrischen und ein paar Tage zu erholen. Tatsächlich ist es hier ziemlich kühl und so werden wir morgen schon weiter fahren, der Wärme hinterher irgendwo in den Norden Spaniens, Richtung französische Grenze. Mal sehen, wo wir landen. Wir sind übrigens inzwischen schon über 4000km auf den Straßen Spaniens und Portugals unterwegs.

Aber zurück zu unserer Tour: über das kleine, romantische Örtchen Beja, in dem wir nur kurz spektakulär steil geparkt (was natürlich für den Bericht völlig irrelevant ist ;)), die Burg mit Portugals höchstem Burgturm angesehen und einen Kaffee getrunken haben (was eigentlich auch nicht relevant ist ;)) …

… ging’s weiter nach Évora, einer von einer breiten Ringmauer fast komplett umschlossenen Stadt, deren Straßen und engen Gassen sternförmig ins Zentrum führen. 

Unser erstes Ziel aber ist ein ganz besonderes, vielleicht einmaliges auf der ganzen Welt. Neben der Kirche ‚Igreja de São Francisco‘ gibt es eine faszinierend gruselige ‚Kapelle der Knochen‘, übersetzt die ‚Capella dos Ossos‘. Diese kleine bescheidene Kapelle ist die letzte Ruhestätte für Hunderte von exhumierten Körpern von den Friedhöfen der Stadt im 16. Jahrhundert. Zu dieser Zeit waren die Friedhöfe Évoras derart übervölkert, dass mit der Exhumierung dieser Knochen wieder Platz für neue Körper geschaffen wurde. Die Knochen wurden respektvoll und, unserer Meinung nach auch sehr künstlerisch, in Zement gegossen und in dieser Gebetsstätte untergebracht, dem Glauben der Zeit folgend, dass die Körper auf diese Weise näher bei Gott sein würden. 

Igreja de San Francisco

Majestätisch erheben sich ein römischer Tempel aus dem 3. – 2. Jahrhundert v.Chr. und die gotische Kathedrale, die durch ihre zwei unterschiedlichen Türme auffällt.

Man kann auf dem Dach spazieren gehen

Während der Fahrt liest mir Paul ein wenig aus unseren Reiseführern und Landkarten vor und plötzlich fragt er, ob ich einverstanden bin, wenn wir die vorgesehene Reiseroute spontan ändern und einen Umweg über Elvas fahren, der uns an einen riesigen Stausee, den Alqueva-Stausee, bringen wird, wo wir eine Nacht in Mourão verbringen, auf dessen Häusern ganz besondere Schornsteine thronen und eine Burg zu besichtigen ist.

Der Bau des Stausees war ein großes Politikum, wurde als Möglichkeit verkauft, dass die armen Bauern ihre Felder bewässern können, aber vielen war klar, wofür er eigentlich gebaut werden sollte: der Tourismus sollte gefördert, Wassersportmöglichkeiten angeboten und Boots-Anlegestellen gebaut werden und große Musikfestivals abgehalten werden. Denn das zu den Feldern hochgepumpte Wasser ist so teuer, dass die Waren, die dadurch angebaut werden könnten, völlig überteuert auf den europäischen Markt kommen würden und somit konkurrenzlos wären. Nur am Rande: diesem Bau fiel ein ganzes Dorf zum Opfer, dessen Menschen mitsamt ihrer Toten umgesiedelt wurden in ein neues, dem alten zwar angeglichenes und modernisiertes Dorf, das keinem allerdings das verlorene Heimatgefühl ersetzen konnte.

Ein exponierter Platz zum Kochen

Der Grund nach Elvas zu kommen, ist das weltgrößte Bollwerk, das aus den Unabhängigkeitskriegen gegen Spanien entstanden ist. Auf dem Weg dorthin sehen wir noch die Mauern der Brücke von Ajuda, die im Grenzgebiet der damaligen kriegerischen Auseinandersetzungen Portugals und Kastiliens liegt und den heutigen Grenzfluss Guadiana überspannt, also, zumindest teilweise überspannt.

Ein Seite Spanien …
… andere Seite Portugal

Schon von weitem sehen wir die riesige, beeindruckende Mauer um die Stadt Elvas. Nach den Unabhängigkeitskriegen entstand damit hier die erste Festungsstadt. Wir haben gelesen, dass zwischen 1645 und 1653 auf die bereits bestehenden Festungsanlagen eine neue Festung nach niederländischem Vorbild gebaut wurde. Sie gehört zusammen mit den Forts Santa Luzia und Nossa Senhora da Graça und ihren sternförmigen Mauern mit einem Umfang von mehr als zehn Kilometern zu den größten und besterhaltenen Bastionen der Welt.

Eine Anregung, wie man seine Hauswand mit einfachen Mitteln bepflanzen kann 😉

Und zum Abschluss von soviel Historie noch das Aquädukt, das ebenfalls beeindruckende Maße aufweist: es ist 8km lang und an seiner höchsten Stelle mit zum Teil vierstöckigen Bögen 31m hoch. Mit seinem Bau wurde schon 1537 begonnen, jedoch dauerte es bis die Wasserversorgung aufgenommen werden konnte bis zum Jahr 1622. Es gehört mit unterirdischen Gängen und seinem ebenerdigen Kanal zu den bedeutendsten Beispielen der hydraulischen Architektur Portugals.

Bei weiterhin glühender Hitze suchen wir einen Campingplatz. Am Rande mal wieder Alltägliches: natürlich können wir mehrere Tage frei stehen, wir haben einen großen Wassertank, einen Abwassertank, eine Toilette und auf dem Dach noch eine Solarpanele. Das ist eine große Unabhängigkeit. Aber bei 40 Grad irgendwo in der Sonne zu stehen und die Markise (ja, die haben wir auch noch :)) nicht ausfahren zu können und dann im aufgeheizten Wohnmobil bei geschlossenen Fenstern schlafen zu müssen – nein, das muss nicht sein. Deshalb sind wir diesmal verhältnismäßig oft auf Campingplätzen. Unsere App zeigt uns einen Platz inmitten dieser herrlichen Alentejo-Gegend, in der es Wein (zwei Fläschchen davon haben wir schon in den Untiefen des Wohnmobils verstaut), Olivenhaine, Korkeichenwälder und einigen Megalithbauten gibt. Es ist ein sehr persönlich geführter kleiner Platz, auf dem wir von der Eigentümerin als erstes auf das Wasserproblem der Gegend hingewiesen werden. Ja, das können wir gut nachvollziehen. Hier, inmitten der Trockenheit, wo die Sonne gerade momentan unerbittlich auf die Erde brennt, ganz besonders. Zwei Tage verbringen wir hier, in denen wir aufgrund der Hitze nur eine kleine, aber feine Wanderung am Abend unternehmen, die uns die Dame ans Herz gelegt hat. „But not before eight p.m.!!! It is too hot!!!“ Na ja, ein wenig früher sind wir schon losgezogen, aber es war wirklich ganz besonders, in dieser Gegend völlig einsam zu laufen und dann von weitem den einzigen hohen Baum zu entdecken, den wir als Anhaltspunkt gezeigt bekamen, ihn zu erreichen und die kleine Ansammlung von Steinen, einen Megalithbau zu erleben. Magisch. Seht selbst.

Immer noch 39 Grad am Abend!

Nach diesem besonderen Erlebnis machen wir uns nun auf in Richtung Porto, wollen aber die Route über ein kleines Gebirge nehmen. Immerhin ist es das einzige Gebirge Portugals, wo man Ski laufen kann, ca. 2000m hoch. Dort zeigt uns unsere Campingplatz-Dame noch einen wunderschönen Platz, an dem wir nicht nur übernachten, sondern uns in kleinen Natur-Pools erfrischen können. Alleine schon der Gedanke daran treibt uns unglaublich an, denn die Temperaturen sind auch über 1000m nur unerheblich niedriger.

Das war „unser Pool“

Pauls Spezial-Wunschroute ist es nun, ein Stück entlang des Duoro zu fahren. Machen wir. Hier ein paar Impressionen davon, der Vollständigkeit halber.

In Porto, das wir in nicht so schöner Erinnerung hatten, hatten wir eigentlich nur vor, irgendwo in der Stadt zu parken, Portwein zu kaufen und weiter ans Meer zu fahren. Leider gibt es in dieser unglaublich wirr bebauten, hügeligen, teilweise düsteren, aber dennoch auf eine Weise beeindruckenden Stadt keinen Parkplatz für uns, sodass wir ein wenig entnervt aufgeben und uns außerhalb einen Campingplatz suchen, um dann mit dem Roller in die Stadt zu fahren. Natürlich hat es sich gelohnt, die Stadt dennoch dadurch ein wenig intensiver zu erkunden.

Der Bahnhof von Porto war unbedingt sehenswert – mitten in der Stadt

Nun aber ans Meer – und da sitzen wir nun nach einem herrlichen Strandspaziergang, inzwischen tropfen Regentropfen auf unser Dach (seit 6 Wochen die ersten) und ihr könnt gemeinsam mit uns nachempfinden, was wir die letzten Tage erlebt haben. Hier noch eine kleine Strandimpression aus Estrela …

Ein ganz besonderer Strand-Zugang … 😉
Eine ganz besondere Algen-Landschaft

Nun fahren wir weiter, wohin uns unser vierrädriges Gefährt auch immer heute bringen wird.

Es grüßen herzlich eure mit Eindrücken prall gefüllten Weltenbummler Barbara und Paul

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3 Antworten zu Von Knochen, Tempeln und weltgrößten Bollwerken

  1. Gabi und Gerrit sagt:

    Na, da hat sich der Abstecher nach Elvas doch wirklich gelohnt. Es ist immer wieder beeindruckend die baulichen Leistungen vergangener Jahrhunderte zu sehen. Ob unsere aktuellen Bauwerke auch so lange stehen bleiben? Wir wünschen euch eine gute Weiterfahrt und steigende Temperaturen. Ansonsten kommt ihr vielleicht noch zum Skilaufen. Liebe Grüße Gabi und Gerrit

  2. Horst sagt:

    Liebe Barbara, lieber Paul,
    wir sind inzwischen aus Frankreich zurück… und ihr seid immer noch unterwegs. Was für optische Eindrück ihr uns da vermittelt: einfach beeindruckend. Ihr solltet euch Zeit lassen, denn hier macht sich Omikron wieder bemerkbar. Das Testzentrum bekommt wieder Arbeit.
    Gut Fahrt weiterhin und schöne Aufenthalte
    wünschen wie schon die ganze Zeit
    Aniela und Horst

  3. Renate Kirchgäßnerati sagt:

    Hallo Ihr Weltenbummler!Habe die letzten
    3 Berichte jetzt erst gelesen. Ich bin sehr
    beeindruckt, was ihr alles erlebt und gesehen
    habt. Der Fischerweg mit seinen
    Felsformationen war schon ein
    Highlight. Ihr habt auch das Glück,
    immer wieder interessantes zu entdecken.
    LG bis nächstes Jahr Renate und Rudi

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