Mir ist gerade so ein genialer Begriff eingefallen, der das, was wir gerade die ganze Zeit machen, perfekt beschreibt: wir ‚globetrotteln‘ an der Küste entlang. Ja, genau das tun wir. Die Entfernungen wechseln zwischen 20 – 60 Meilen von Stellplatz zu Stellplatz. Mehr nicht. Es könnte sehr entspannt sein, wenn, ja wenn nicht manchmal die Straßen sooo eng wären.
Zuerst zu Cardiff. Darüber haben wir so viele interessante Artikel gelesen, dass wir entschieden uns das Städtchen unbedingt anschauen zu müssen. Da es keine gute Übernachtungsmöglichkeit für unser WoMo gibt fahren wir auf direktem Weg zur Cardiff Bay und finden einen Parkplatz für drei Stunden. Cardiff in drei Stunden? Sportlich, aber aus der Not heraus nehmen wir die Herausforderung an, denn, ja, das sind immer mal wieder die Nachteile des großen Wohnmobiles.
Die Cardiff Bay alleine ist schon den Aufenthalt wert, historische und moderne Gebäude wechseln sich ab. Das Pierhead Building im viktorianischen Stil von 1897 mit seinem Uhrturm, den Türmchen und Erkern an der Waterfront, bildet den größten Kontrast zu den modernen „Nachbarn“. Hierzu hat Paul ein geniales Foto aufgenommen.
Wir wurden gleich freundlich aufgefordert hinein zu schauen, kostenlos, wir dürfen uns überall umsehen und bekommen erzählt, dass das Gebäude immer wieder andere Funktionen erfüllte, anfangs als Ein- und Auswandererbehörde, dann als Rathaus, momentan können wir eine Ausstellung bekannter Waliser besuchen. Prägnant sind neben den roten Terrakottasteinen im Außen, die Kacheln an den Wänden im Treppenhaus innen. Ein durchaus interessantes Gebäude.
Die nicht weit entfernte Norwegian Church entstand im Jahr 1868 als Gotteshaus der Seeleute und steht weiß leuchtend am Hafen, auch sie beinhaltet Ausstellungs- und Veranstaltungsräume.
Dem Geheimnis warum hier eine norwegische Kirche für die Seeleute gebaut wurde, kamen wir noch nicht auf die Spur, werden das aber mal nachschlagen (welch altbackener Ausdruck! Natürlich werden wir es go…ln).
Gleich nebenan steht eine Statue, die der Expeditionscrew der Arktisexpedition vom 15. Juni 1910 gewidmet ist. Geleitet wurde die Expedition von Robert Falcon Scott, der mit seinem Team von der Cardiff Bay aus (ganz einfach von hier aus, weil hier das meiste Geld dafür gesammelt wurde) zu ihrer schicksalhaften Expedition in die Antarktis aufbrach, um als erster Mensch den Südpol zu erreichen. Tragischerweise kamen sie auf der Rückreise ums Leben.
Die kleine Ironie des Schicksals, die Statue steht neben der norwegischen Kirche… der norwegische Seefahrer Amundson hat Scott im Wetteifern um das Erreichen des Südpoles als erster Mensch geschlagen.
Der im Jahr 2006 entstandene Bau des walisischen Nationalparlaments bietet für architektonisch interessierte eine ganze Menge! Materialien wie Glas, Holz, Schiefer und Stahl vereinigen sich zu einem modernen Outfit, das sich leider nicht gut im Foto einfangen ließ. Ihr seht es auf dem Einstiegsbild im Ensemble mit dem Pierhaed Building und dem Millenium Centre.
Die umweltbeachtende Bauweise ist übrigens ebenso beeindruckend: geheizt wird mit Erdwärme, das wellenförmige Dach sammelt Regenwasser zur Klimatisierung, für die Reinigung und die Toilettenspülung. Chapeau! We are very impressed!
Das hervorstechendste und wahrscheinlich bekannteste ist das Wales Millennium Centre, das ein unübersehbares Kupferdach schmückt. Das 2004 eröffnete Opernhaus ist ganz sicher das spektakulärste Gebäude der Cardiff Bay. Wir stehen fasziniert davor und versuchen die meterhohen Buchstaben zu entziffern, die auf die Fenster der Frontseite geschrieben stehen.
Nach unseren diesmal noch vor Ort gestarteten Recherchen 😉 handelt es sich um ein Gedicht der walisischen Poetin Gwynetz Lewis auf walisisch und englisch. Für die Interessierten unter euch, hier die Originaltexte:
„CREU GWIR FEL GWYDR O FFWARNAIS AWEN“ „In these stones horizons sing“
Den Weg in die Stadt nehmen wir tatsächlich sportlich und laufen die ca. 2km forschen Schrittes als kleines Training. Auch hier sind wir beeindruckt von der Lebendigkeit der Stadt, der abwechslungsreichen Architektur, des Castles und – ganz besonders – von den Arkaden, die uns mit viktorianischen und edwardianischen Stilelementen ins elegante Ambiente des 19. Jahrhunderts entführen. Diese treffende Formulierung habe ich aus einem Reiseführer „entnommen“. 😉
Nach dem historischen Castle zeigen wir euch nun die historischen Arkaden …
… und die Markthalle, in der wir zusehen konnten, wie die berühmten und sehr leckeren Welsh Cakes (für uns !!!) hergestellt wurden.
Leider, leider haben wir nur die drei Stunden Parkzeit – und da sind die Engländer schonungslos, wie wir aus Erfahrung wissen – und müssen zurück, damit wir bei der inzwischen strahlenden Sonne zum Festigen dieses eindrucksvollen Erlebnisses unbedingt noch einen kurzen Kaffee am Pier trinken können.
Habe ich schon erzählt, dass man fast überall, auch im Restaurant, an der Bar seine Bestellung aufgibt, zahlt, meist die Getränke selbst mitnimmt und das Essen dann an den Tisch gebracht wird. Hier genossen wir bei einem Cappuccino die Sonnenstrahlen, die uns wiederum einen herrlichen Abschluss dieses Tages bescherten.
Nach diesem eindrucksvollen Erlebnis machen wir uns auf nach Weston-super-Mare, wo die Gezeiten, der Tidenhub, satte 14m beträgt. Das möchten wir mit eigenen Augen sehen!
Leider haben wir nichts von den „Bank-Holidays“ gewusst, in denen alle, aber auch alle Plätze, wo man sein Motorhome abstellen könnte, ausgebucht sind. So wurde es mal ein wenig stressig auf der Suche nach einem geeigneten Platz und wir weichen einfach mal wieder aufs Freie Stehen in einem Wohngebiet in dem nahe gelegenen Burnham on Sea aus, wo uns freundliche Anwohner sogleich ansprechen, dass wir uns natürlich hinstellen können – und wir sollten uns auch nicht von dem Schild „Private“ am kleinen Trampelpfad durch die Dünen zum Strand abhalten lassen, das hätten nur die Hauseigentümer des nebenstehenden Hauses angebracht. Der Durchgang sei öffentlich! 🙂 Sie sind überwiegend unglaublich freundlich, aufgeschlossen und rücksichtsvoll, die Menschen auf der Insel. So kann man sich wohlfühlen.
Also laufen wir am nächsten Morgen den „Private Way“ to the beach – das Wasser ist weit, weit weg! Unser Ansinnen am Wasser entlang laufen zu wollen haben wir dann allerdings etwas bereut, da der Strand bei Ebbe purer Schlick ist. Und wir kommen an Stellen, bei denen wir fürchten müssen sehr weit einzusinken. Wir schaffen es ohne auszurutschen, worüber wir nicht unfroh sind. Den Rückweg nehmen wir dann doch lieber auf dem trockenen Sand.
Die Wellenbrecher der Strandpromenaden-Befestigung sprechen Bände über das stürmische Herbstwetter.
Die Schwierigkeit an dieser Küste ist die, dass die Strände nur durch kilometerlange, extrem schmale Wege durch Dörfer, Felder oder Gestrüpp zu erreichen sind. Wir fanden eine so treffend formulierte Beschreibung, dass wir sie euch nicht vorenthalten möchten:
„Die Straßen sind gelegentlich so schmal, dass lediglich genügend Platz für nur ein Auto vorhanden ist,um zwischen den Gebäuden oder Feldern hindurchzufahren. Eine Passage heißt sogar ‚Squeezibelly Alley‘ (Bauch einzuziehende Allee). Was braucht es der Worte mehr. 🙂
Ganz typisch sind dann auch noch die Straßen mit hohen Hecken rechts und links.
Bislang haben wir es ohne Blessuren geschafft, haltet uns die Daumen!!
So machen wir uns auf die Suche nach einem Platz und werden fündig – direkt am Coast Path, den es auch hier gibt. Nun, dann laufen wir den Wanderweg bis nach Watchet und haben ein, nein gleich zwei ganz besondere Erlebnisse. Das eine ist ein glücklicher Zufall. Wir bummeln durch die Straßen …
… finden beeindruckende Wandmalereien über die Geschichte der Stadt mit ihren Eisenerzbergwerken und der historischen Eisenbahn.
… und sehen, dass die Türen einer Kirche weit auf sind und gehen hinein. Der Schlusschoral des Gottesdienstes wird gerade gesungen, sodass wir sogleich umdrehen, um nicht zu stören. Aber da werden wir schon von einer Frau, die im Vorraum an einer Theke gerade Kaffee kocht angesprochen, ob wir eine Tasse Tee oder Kaffe möchten, ein Stückchen Kuchen oder Gebäck, wir mögen doch Platz nehmen, der Gottesdienst ist sowieso gleich zu Ende. Wir nehmen das Angebot gerne an und schon kommen die Besucher des Sonntag-Vormittag-Gottesdienstes und trinken ebenfalls Kaffee und Tee und plaudern munter drauf los, natürlich sind wir das Highlight aus Germany und werden herzlich in die Gemeinschaft aufgenommen, bekommen viele Geschichten erzählt, deutsche Worte werden hervorgekramt, es wird viel gelacht und wir haben viel Spaß miteinander.
Mit den besten Wünschen von allen verlassen wir diese besondere Gemeinschaft wieder und machen uns auf den Heimweg, als es anfing zu regnen. Ja, und das ist das zweite besondere Erlebnis, denn bisher haben wir nach dreieinhalb Wochen noch keine Wanderung oder Besichtigung im Regen gemacht. Natürlich hat es auch das ein oder andere Mal geregnet, aber nur dann, wenn es uns nicht beeinträchtigt hat. Diesmal sind wir dran.
Und es ist trotzdem schön, denn wir nehmen den Weg zurück unterhalb der Klippen, am Meer entlang, das sich gerade wieder einmal weit zurück zieht. Wir genießen trotz Regen dieses ganz besonders schönes Stückchen Erde und werden zwischendurch mit ein paar Sonnenstrahlen verwöhnt.
Wir begegnen den reinsten Kunstwerken der Natur!
Dann blicken wir zurück auf das nette Dörfchen und legen uns an diesem Abend mit vollem Herzen und vollem ‚Speicher‘ im Kopf schlafen und freuen uns auf die nächsten Erlebnisse.
Es grüßen herzlich eure Weltenbummler Barbara & Paul
was für eine beeindruckende Reise! Wir wünschen euch weiterhin viel Spaß dabei und grüßen euch herzlich aus Italien 😁 Karola und Arno
Das ist ja wirklich sehr, sehr schön und beeindruckend. Viel Spaß noch und weiterhin gute Reise.. LG. Peter
Was für eine Reise! Was für tolle Berichte! Was für außergewöhnliche Bilder!
All das Geschriebene und Bebilderte verfolgen wir gespannt, erstaunt, begeistert und über alle Maßen erfreut.
Wieder einmal eine wunderschöne Reise, die ihr macht und uns präsentiert. Danke dafür. Weiter so!!
Herzlich, Gabi und Helmut
So, nun bin ich wieder dabei…sozusagen Quereinsteiger. Geht es doch um eine Gegend, die ich selbst noch nicht kennenlernte. Daher umso schöner, sie von euch so gewohnt interessant präsentiert zu bekommen 🙂
Alles Gute für eure Weiterreise in neue Gefilde.
Smashing!
Liebgruß von Gabriela