Der nächste Step – ein Mix aus unberührter Natur und Großstadt-Flair

Welch ein wildes Land! Wir sind inzwischen in den albanischen Alpen gelandet, wo wir uns nach einer atemberaubenden Fahrt ein Städtchen nahe der Grenze zu Montenegro für die nächsten zwei Übernachtungen ausgewählt haben. Tatsächlich kommt es uns vor wie das Ende Albaniens, da hier die Straße aufhört, nur noch Schotterwege von Hof zu Hof führen.

Aber wieder von vorne. Wir haben uns also, nachdem wir von der südlichen Seite keine Chance hatten die Osum-Schlucht zu erreichen, über die 130km Umweg über die Schnellstraße auf den Weg nach Berat gemacht. 

Wir lasen von einem Campingplatz direkt am Osum-Fluss, auch ‚Riverside-Camping‘ genannt. Super, direkt am Fluss, am Wasser stehen wir am Liebsten! Tja, aber diesmal klappt das mit Vorstellung und Wirklichkeit nicht so recht denn bei der Beschreibung stand nicht dabei, dass eine große Umgehungsstraße den Platz vom Fluß trennt – und, ja, das Flussbett dieses wilden Flusses so breit ist und zur Zeit wenig Wasser mit sich führt,  sodass wir das Wasser erst in 500m Entfernung vermuten können. 😉

Allerdings tut das dem Zauber des Platzes keinen Abbruch. Wir werden von einer jungen Frau so freundlich begrüßt! Nach den für uns schon zum Mantra gewordenen Fragen, ob sie einen oder beide Ausweise benötigt, wieviel es kostet, ob sie wissen möchte wie lange wir bleiben, wo wir entsorgen können und Frischwasser auffüllen und die Toilette leeren können … lächelt sie nur: „das hat alles Zeit,  kommt erstmal an. Sogleich kommt sie mit einem Teller Obst wieder und heißt uns nochmal herzlich willkommen. Eine Rezeption gibt es nicht, die zwei Besitzerinnen sind irgendwie immer irgendwo zu finden, irgendwie auch immer ein wenig der Welt entrückt. „Good Morning, the sun ist shining, what a wonderful day…“ „Wir würden gerne zahlen und Wasser ablassen“ „Yes, yes, someone will coming and help you in a few minutes…“ „… und bezahlen …“ „okay, I will be in the kitchen later“… Alles klappte irgendwie dennoch perfekt, Registrierungen wie in allen anderen Ländern bislang gibt es hier nicht und auch nicht auf unseren weiteren Stationen in Albanien, man zahlt irgendwann und irgendwie – und wir denken wieder einmal, dass das Leben so herrlich einfach sein kann. 🙂

Nun zu Berat, das 2005 von der Unesco zum Welterbe gekürt wurde. Die hiesige Festung Kalaja, die auf dem nördlichen Hügel thront, ist unser erstes, trotz des steilen Aufstieges, fußläufiges Ziel. 

Auf dem Weg in die Stadt vertun wir uns ein wenig, da die Altstadt und der eigentliche steile, kopfsteingepflasterte Weg, in der anderen Richtung liegen. Das Schöne daran ist ja immer, dass man auf diese Weise mehr vom eigentlichen Leben mitbekommt. Wir waren mittendrin in der, ich nenne sie gerne „Jetztzeit“ (da es unterwegs so viel Historisches gibt), und waren die Exoten in der Stadt. Menschen grüßen uns freundlich, fragen wo wir herkommen, Schulkinder umringen uns und geben uns die Hand, es ist wie überall diese unglaubliche Offenheit und Freundlichkeit, die uns die Herzen der Menschen öffnet. Der Weg zur Burg wird uns erklärt, ein Stück des Weges mitgegangen, mitten durch ein ganz normales Wohnviertel. Die Sonne brennt uns auf den Kopf und wir wissen, was wir getan haben, als wir oben ankommen.

 

Die Festungsanlage ist sehr gut restauriert und unerwartet groß, da sich auch ein noch bewohntes Wohnviertel am Hang anschließt. Die Besichtigung der Burganlage und vor allem der geniale Ausblick über das umliegende Land können wir nur empfehlen. Einmalig.

Das alles macht natürlich hungrig und wir laufen wieder runter in die Stadt, um auf die historische Seite zu gelangen, wo die berühmten Fenster zu sehen sind, um dort zu essen. Berat wird ja auch die „Stadt der tausend Fenster“ oder „die Stadt der übereinandergestapelten Fenster“ genannt. Ihr werdet gleich sehen warum. 

Wie erwartet finden wir dort ein sehr nettes, kleines, am Hang gebautes Lokal, wo wir ein Plätzchen mit Blick auf die andere Seite des Flusses ergattern. Wie gut, dass unser Platz ein wenig überdacht ist, denn leider kommt der tägliche Regenschauer gerade jetzt ausgesprochen heftig und auch noch genau als unser Essen kam, sodass der Ober auf dem Weg von der Küche zu unserem Tisch völlig durchnässt war. Um uns noch mehr vor dem Regen zu schützen haben wir unseren Regenschirm aufgespannt und auf den Tisch gelegt. Alle Gäste haben sich ähnlich versucht zu schützen, keiner ist gegangen. Die Situation war ziemlich witzig.

Die beiden Wohnviertel links und rechts des Flusses (eines früher muslimisch, das andere christlich, was sich inzwischen wohl vermischt hat) gehen übrigens auf die osmanische Zeit zurück. Leider wurden sie 1851 bei einem Erdbeben stark zerstört, dann aber wieder aufgebaut und 1961 von der kommunistischen Regierung zur Museumsstadt erklärt. Jetzt steht für uns noch ein Bummel durch die steilen, engen Gassen des christlichen Teiles über dem Fluß Osum an, für uns ein Bummel in eine längst vergangene Welt.

Wir hatten uns inzwischen nochmal nach dem Weg in die Schlucht erkundigt und erfahren, dass es von hier aus einen asphaltierten Weg dorthin gibt. So starten wir die Planung, auch für den nächsten Tag und merken wiederum, dass es doch wichtig wäre, eine Landkarte von Albanien in Händen zu haben. Google Maps ist ja super, aber für einen Überblick ist einen Karte doch besser. So fahren wir nochmal in die Stadt und entdecken dabei die geschmackvoll angelegte Fußgängerzone mit Restaurants. Sehr schön zum Flanieren. 

Aber wir halten ja Ausschau nach einer Bücherei und haben tatsächlich das Glück sofort eine zu finden, die genau die Landkarten hat, die wir, also Paul, haben möchte/n. Bei einem Blick hinein lernen wir auch die Bezeichnungen der ja immer farbig gestalteten Straßen. Die roten sind, je nach Dicke die Autobahn, ‚das primäre Straßennetz‘, ‚das Nebenstraßennetz‘, eher orange ist ‚das Andere Straßennetz‘ und gelb ist der ‚Hauptfeldweg‘. Jetzt wissen wir auch, dass wir bei unserer Abkürzung im Süden über die unerwartete Schotterpiste, die ja gelb eingezeichnet war, auf einem Hauptfeldweg gefahren sind. 😉

Natürlich ist nur das touristisch interessante restauriert, die Gebäude in den Seitenstraßen, die wir oftmals fahren, sehen noch anders aus.

Viele Menschen, die uns unterwegs begegnen, winken uns zu. Egal ob im Wohnmobil oder zu Fuß.

Der Weg in die Osum-Schlucht ist wirklich gut zu fahren, asphaltiert und bietet in großen Teilen herrliche Einblicke. Sie ist über weite Strecken breiter als erwartet und so sind wir eher ein wenig enttäuscht. Überraschenderweise entdecken wir doch noch eine Möglichkeit, zu der viel gepriesenen und als spektakulär bezeichneten Stahlbrücke zu kommen, indem wir noch ein Stück zu Fuß hinunter liefen. Schilder gibt es hier – weder als Wegweiser auf der Straße noch als Wegweiser zu der Brücke – nicht. Es ist immer ein Miteinander mit anderen Reisenden, die Highlights aufgrund entsprechender Tipps zu finden. 

Vielleicht haben wir ja schon zu viele spektakuläre Brücken gesehen, aber hier waren wir dann doch überrascht, dass sie in Reiseführern so herausgestellt wurde.

Wir haben gelesen, dass man sich hier oben mit dem Wohnmobil an eine Kneipe stellen kann, deren Besitzer auch Strom und Dusche anbietet. Das nehmen wir gerne an, noch dazu, da genau an dieser Stelle ein Sky-Walk über der Schlucht gebaut ist, der uns nicht nur einen tollen Blick in die Tiefe erlaubt, sondern uns auch den Blick in einen herrlichen Sonnenuntergang beschert.

Die Rezeption ist typisch albanisch, herrlich gemütlich und ohne Office, und die Hühner und Katzen laufen durchs „Restaurant“. Manchmal auch die Straßenhunde. 

Nach so viel Natur brauchen wir unbedingt wieder etwas Stadtluft. Auf nach Tirana, der Hauptstadt Albaniens! Wir bekamen den Tipp, unbedingt einen Campingplatz zu reservieren, da dort nicht sehr viele Plätze seien. Gesagt, getan. Der Besitzer meinte, wir müssten mit unserem großen Wohnmobil auf den größeren Platz. Okay. Kein Problem. Dachten wir. Nachdem die Straßen, die teilweise vierspurig ausgebaut sind, soweit okay waren (also zumindest, wenn man auf der linken Fahrspur fährt ;)), mussten wir plötzlich von diesem „Highway“ direkt in die Pampa auf die Schlagloch-Piste abbiegen. Rumpelnd und schaukelnd, auf zum Schluß steil ansteigender Schotterpiste, erstreckt sich plötzlich nach einem Hügel vor uns ein riesiger, herrlicher Stausee – und: der Campingplatz. Idylle pur. Diese mussten wir ein wenig stören, denn hier musste der Roller aus seiner Garage – und wir nutzten auch das sonnige Wetter für eine kleine Wäsche, in der Hoffnung, dass das tägliche Gewitter erst am Abend kommt.

Während wir vor Ort waren wurde gerade der Steg neu gemacht. Wir waren mit die Ersten, die auf den neuen Holzdielen laufen durften.

Unser Ausflug mit dem Roller nach Tirana, ca. 15km entfernt, war einfacher als erwartet. Die Zufahrtsstraße führt direkt ins Zentrum und die Schlaglöcher waren (fast) verschwunden. Die Großstadt wirft ihre Schatten voraus. Der Parkplatz kurz vor dem Skanderberg-Platz ist perfekt und so stehen wir kurze Zeit später auf diesem berühmten Platz vor dem historischen Nationalmuseum mit seinem riesigen Mosaik im realsozialistischen Stil (1981). Nicht nur das Gebäude zieht uns in seinen Bann, nein, vor allem die ungewöhnliche Wölbung der Oberfläche des Platzes. Nirgends finden wir eine Begründung für diese Wölbung, vielleicht hat sie mit der unterirdischen Bunkeranlage zu tun, deren Räumlichkeiten als Museum aufbereitet sind und die wir später noch besucht haben.

Das Museum, Bunk‘Art2, beinhaltet seit 2016 eine Ausstellung über die Geschehnisse während der kommunistischen Diktatur von 1944 bis 1991. Bilder hierzu finden wir für unseren Blog nicht angemessen, darum sei es einfach so erwähnt.

Der Kulturpalast, die Moschee, der Uhrturm und die Paulus-Kathedrale sind die Highlights, mitsamt dem Hintergrund auch geniale Fotomotive für Paul.

Denkmäler gibt es sehr viele in Albanien. Hier in Tirana z.B. das Reiterdenkmal, in Berat war es ein sehr modern wirkendes Denkmal. Die Geschichen hinter diesen Denkmälern haben wir nicht erforscht.

Nach einem kleinen Einkauf von Trockenfrüchten auf dem Markt saßen wir noch eine Weile in einem kleinen Restaurant – und zusehends verdunkelte sich mal wieder der Himmel. Und täglich grüßt das Murmeltier, das tägliche Gewitter braut sich über unseren Köpfen zusammen, eine Schauerwolke entlädt sich kurz und obwohl wir nach unserem anschließenden Museumsbesuch wieder trockenen Fußes durch die Stadt laufen können, treten wir lieber den Rückweg an. Einerseits, weil wir nicht bei Regen ‚rollern‘ und andererseits auch unsere Wäsche vielleicht noch trocken in den Schrank bringen wollen. Kurzum: es hat geklappt und so konnten wir den Tag noch im Sonnenschein mit Blick auf den See ausklingen lassen.

Ein oder zwei Tage am Meer tun der Seele gut und natürlich wollen wir auch das albanische Strandleben kennenlernen. Das tun wir nördlich von Durrës. Wir haben uns sagen lassen, dass es im Süden die schöneren Strände gibt, aber auch hier be- und entsteht ein lebendiges (!!) Urlauber-Paradies. Die edlen Hotels und Ferienwohnungen und vielen Strandrestaurants sprießen in Massen aus dem Boden und wir sind sicher, dass es hier in ein oder zwei Jahren kaum noch ein Plätzchen am zwar sehr langen, aber ziemlich schmalen Strand geben wird. Für uns war diesmal noch Platz genug, wir genießen den direkten St(r)andplatz am Meer.

Die Reise geht weiter und immer weiter. Bevor wir in die albanischen Alpen und dann die montenegrinischen Alpen fahren, machen wir einen Abstecher in die größte Stadt Nord-Albaniens (ca. 140.000 Einwohner), Shkoder, eine Studentenstadt. Mit ihren fast 12.000 Studenten an sechs verschiedenen Fakultäten ist sie besonders bei der Jugend beliebt, was man bei dem Besuch sofort spürt. Es herrscht reges Treiben, viele kleine, liebevoll gestaltete Kneipen und Geschäfte säumen den Weg, junge Leute bestimmen das Straßenbild. Das weitere besondere in dieser Stadt, was man sonst eher selten sieht, Fahrräder über Fahrräder! Alle Altersklassen (!) sitzen auf dem Drahtesel, was bedeutet, dass man nicht nur auf die rechts und links überholenden Autos und Rollerfahrer oder auf die auf der rechten Seite entgegenkommenden Autos oder Rollerfahrer oder gar auf die Schlaglöcher, geschweige denn Fußgänger und wilde Hunde achten muss, sondern eben auch auf die Fahrradfahrer. 

Entlang der Hauptstraße gibt es allerdings den ersten zweispurigen Fahrradweg den wir in Albanien gesehen haben. Quasi fast wie in Heidelberg! 🙂

Besondere Sehenswürdigkeiten haben wir nicht besucht, wir wollen einfach diese lebensfrohe Stimmung auf den Straßen der Stadt erleben – und euch nun daran teilhaben lassen.

Als der tägliche Regen einsetzt machen wir uns auf die Weiterfahrt, beim erzählen und weiter planen fällt uns ein, dass wir für die letzten Tage im Land doch noch zu viele Leks (albanische Währung) haben. Vorher haben uns alle Reisenden aus Albanien berichtet, dass es kein Problem ist, mit Euro zu bezahlen. So haben wir nur wenig Geld umgetauscht. Abseits der Touristenroute haben wir dann festgestellt, dass es einige Gegenden gibt, wo man weder mit Euro noch mit Karte bezahlen kann. Selbst an Tankstellen nicht. Da haben wir nochmal viele Leks umgetauscht. Und dann kamen wir in die nördlichen Touristengebiete, wo man nur noch Euros haben wollte. Tja, da waren es wieder zu viele Leks. Da man kein Geld ausführen darf und es auch keine Möglichkeit gibt, es bei uns umzutauschen, entschieden wir im nächsten Ort rauszufahren und nach einer Wechselstube zu schauen. Prompt gefunden ging’s über die anfangs des Berichtes genannte, wahrlich spektakuläre Straße in das nördlichste Zipfelchen Albaniens, an den Ort, wo wir gerade sitzen, ich das schreibe und Paul die Fotos bearbeitet: Vermosh.

By the way sagen wir danke an euch alle für das „Miterleben“, Stand heute waren in den letzten 30 Tagen knapp 1.200 Besucher auf unserem Blog! Das freut uns! 🙂

Hier beenden wir nun unser Reise-Highlight ALBANIEN und werden die Fotos von der spektakulären Fahrt hierher und ein paar Fotos der Gegend im nächsten Bericht, der dann bereits über Montenegro sein wird, integrieren. 

Es war eine außergewöhnlich entspannte, wunderschöne Zeit, vor allem die wilde, vielerorts unberührte Natur und die zugewandten, gastfreundlichen Menschen haben uns begeistert. Natürlich wünschen wir den Albanerinnen und Albanern, dass es ihnen wirtschaftlich immer besser geht, dass sie aber nie den Blick auf dieses noch so natürliche Stückchen Erde verlieren mögen. Und dass die Touristenanzahl soweit begrenzt bleibt, dass sie ihre Gastfreundlichkeit und Offenheit gegenüber Fremden erhalten können. 

Wir sagen: „Faleminderit Shqipëri“, „Danke Albanien“!

Herzlich grüßen eure Weltenbummler Barbara & Paul

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