Trotz aller Widrigkeiten nehmen wir euch nun nochmal liebend gerne mit in die märchenhafte Welt Indiens. Wir fahren direkt vom Zeltcamp in Jaisalmer zu unserem nächsten Sightseeing Point Jodhpur. Der Weg führt uns durch relativ eintöniges Wüstenland. Unser Fahrer denkt wohl, das ist für uns langweilig, denn er bietet uns WLAN an. Damit sind wir erstmal eine Weile beschäftigt. 😉
Das Hotel in Jodhpur hat direkt am Eingang schon eine große Desinfektionsstation für jeden Ankömmling aufgebaut und somit spüren wir, das Thema werden wir definitiv auch hier nicht los. Noch vor dem Einchecken wird vom Hotelmanager der ärztliche Dienst gerufen, der uns in einem Nebenzimmer durchcheckt. Erst dann dürfen wir auf unser Zimmer.
Mit unserem ‚local guide‘ besichtigen wir zuerst das Denkmal für den Maharadscha aus dem Jahr 1899, Jaswant Thada, das uns sofort alles vergessen lässt und uns wieder in die Vergangenheit entführt. Das besondere sind die weißen Marmorplatten, die in der Sonne erstrahlen.
Eine kleine Geschichte am Rande: der Maharadscha hatte zwei Lieblingsfrauen, die rechts und links neben ihm beerdigt sind. Die eine muss seine Lieblings-Lieblingsfrau gewesen sein, denn sie liegt etwas näher an seiner Grabstätte begraben als die andere.
Die beeindruckende Festung Meherangarh beeindruckt uns sehr, erinnert jedoch in Geschichte und Kunst so stark an bereits gesehenes, dass wir einfach die mit Seide, Opium und Edelsteinen beladenen Kamelkarawanen vor unserem inneren Auge vorüberziehen lassen und uns in diese Zeit versetzen – und dennoch mit Interesse den Ausführungen unseres Guides folgen.
Der Blick über die Stadt zeigt uns deutlich, dass die Bezeichnung ‘blaue Stadt’ ihren Sinn hat. Es sind Einwohner einer bestimmten Religionsgemeinschaft, die ihre Häuser blau anmalen – und sich wahrscheinlich gar nicht bewusst sind, was sie damit für ein wunderschönes Bild prägen.
Der berühmten Markt ‚Sardar Market‘ ist um einen Uhrenturm herum entstanden und wie so viele Märkte besteht er aus winzig schmalen Geschäften, die Waren bis zur Decke gestapelt. Hier gibt es neben den üblichen Dingen alles, was man in Haus, Garten und Beruf so braucht. Ich war total glücklich, dass wir hier auch die typischen Essen-Schälchen fanden, in denen uns in den Restaurants und Hotels unser Essen serviert wurde. Da können wir nicht widerstehen – zwei müssen noch ins Reisegepäck für zu Hause! Vielleicht begegnen sie ja dem ein oder anderen Blogleser noch live.
Ein wunderschöner Tag geht zu Ende und wir lassen ihn am Abend in dem Hotel-Restaurant mit der netten Geschichte um „Mr. Einstein“ (ihr erinnert euch?) nochmal revuepassieren.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf ins Ungewisse, denn in Udaipur ist nach Aussage unseres Reisebüros die Reise tatsächlich zu Ende. Wir wissen noch nicht wie es weitergeht und sind ein wenig gespannt, wann wir nun nach Delhi fliegen werden. Die Stimmung ist still, auch Anil, unser Fahrer, ist traurig. Wir werden für dieses Jahr seine letzten Touristen und damit auch seine letzte Einnahmequelle sein. Und außerdem haben wir uns ein wenig liebgewonnen. Wir hatten Glück, die Chemie hat gestimmt. Ich werde es sehr vermissen, wenn er morgens am Auto auf uns gewartet hat mit einem freundlichen „Morning mam, good sleeping? Morning Sir, please … „ – und hat Paul die Tür aufgehalten … tja, nur ihm. Männerwelt halt. Macht aber nix. Bin ja emanzipiert.
Unterwegs besichtigen wir noch einen zauberhaften Tempelkomplex der Jaingemeinde. Er befindet sich in einer hügeligen, bewaldeten Gegend, mit Blick auf ein höheres Gebirge. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, da uns ein junger Priester in der dritten Generation durch diesen besonderen, mit 144 Säulen bestückten Tempel führte. Auch die Auslegung der Religion, die prinzipiell ohne Fleisch und Alkohol lebt, hat uns beeindruckt – und kommt unserer Lebenseinstellung gleich. Er sagte, wenn er großes Bedürfnis auf ein Stückchen Hühnchen oder auch mal ein Glas Bier hat, dann tut er das auch, weil es um ein entspanntes, zufriedenes und geerdetes Leben geht. Der ständige Verzicht jedoch bedeutet Anspannung – und die sei nicht gesund. Und schon begann er mit geschlossenen Augen mit einem mit sonoriger Stimme vorgetragenen ‚Om‘ an exponierter Stelle – als unterstreiche er seine gerade getätigte Aussage.
Die Fahrt durch diesen Wald, in dem die Affen in den Bäumen und auf der Straße herumsprangen, war nach der Kargheit der Wüste ganz besonders schön. Unser Hunger führte uns in ein kleines „Restaurant“, das uns ungemein an unsere Trekkingtour durch den Himalaya in Nepal erinnerte, ja, auch die Küche. 🙂
Im Hotel angekommen erwartet uns die erste Hiobsbotschaft der letzten Tage in Indien. Wir werden gleich vom Hotelmanager in Empfang genommen, da er uns leider nicht einchecken darf. Seit 15:00h ist ein Verbot erlassen, Europäer in Hotels aufzunehmen. So. Und nun? Das mussten wir erstmal kurz verdauen. Unser inzwischen hinzugekommener Guide hat uns kurzerhand ins Auto verfrachtet und in der Hoffnung, das ist die Lösung, ins nächste Krankenhaus gefahren, einen Gesundheits-Check machen lassen und dann wieder zurück gebracht. Leider sind wir auch mit unseren offiziellen Gesundheits-Check-Dokumenten, die wir übrigens ab jetzt immer mit uns führen müssen, nicht aufgenommen worden. Daraufhin nahm er uns mit ins Büro zu seinem Chef, der telefonierte noch ein wenig rum und entschloss sich dann, uns mit zu sich nach Hause zu nehmen. Er hat ein großes Haus, in dem er auch Zimmer vermietet. Das war Glück! Wir haben uns schon auf dem Boden im Flughafen liegen sehen – so kam uns das Zimmer wie die „Honeymoon-Suite“ vor. Herrlich! Ein Bett und eine Dusche! Juchhu!
Wir erfuhren, dass wir am nächsten Tag um 14:00h zum Flug nach Delhi eingebucht sind. Unser Guide holte uns am Abend ab und war wild entschlossen, uns das geplante Tagesprogramm nun in der verbleibenden Hälfte der Zeit zu zeigen. Er war echt klasse: am Abend zeigte er uns die Altstadt – und hatte noch ein riesige Überraschung im Gepäck. Wir bekommen von der Company ein Abendessen im schönsten Restaurant am Ort spendiert. Quasi als Abschiedsessen. Ein traumhaft schönes Ambiente im Freien, direkt am berühmten Picholasee mit Blick auf die historische Festung und umgeben von den Aravalli-Hügeln, genießen wir ein hervorragendes Abendessen – und als ich ihm, als Paul gerade auf Toilette war, noch erzählte, dass es so schade ist, dass wir ausgerechnet am nächsten Tag im Flugzeug sitzen, weil mein Mann da Geburtstag hat, war er wie elektrisiert. Er hat Geburtstag? Sollen wir da was machen? Ich telefoniere kurz. Möchten Sie lieber einen Ananas- oder Schokoladenkuchen? Ich konnte gerade noch sagen ‘Ananas’, da kam auch Paul schon wieder und ich war gespannt, was nun für ihn geplant wird.
Für den Rückweg bestellt er ein Taxi, allerdings müssen wir ein paar Meter zu Fuß zurücklegen und haben doch tatsächlich noch das Glück, in eine Hochzeitsgesellschaft zu geraten, die, der Bräutigam geschmückt und auf einem weißen Pferd, wild um ihn herumtanzt und alle paar Minuten einen Donnerschlag entzündet, der uns fast das Trommelfell platzen ließ. Wir wissen gar nicht, was wir zuerst tun sollen. Ohren zuhalten, fotografieren … und dann kommen noch zwei Jungs auf uns zu und möchten ein Selfie … kurzum: ein Erlebnis! An der nächsten Ecke erreichte uns das Taxi und unser Guide zaubert einen Blumenstrauß für Paul hervor, wie auch immer er das organisiert hat.
Als wir wieder im Zimmer ankamen und ehrlicherweise hundemüde waren, klopfte der Sohn des Hauses und sagte, sein Vater lädt uns zu einem Bier oder Wein ein. Wir möchten doch noch zu ihnen hoch kommen. Natürlich freuten wir uns darüber und so verbringen wir nochmal eine fröhliche Stunde im Kreise der Familie.
Zum Frühstück am nächsten Morgen gibt’s den Ananas-Geburtstagskuchen mit ‚Happy Birthday‘ drauf – die Familie ist total nett und allen tut unsere Situation so leid. Aber mal ehrlich: schöner kann ein Abschied nicht sein. Wir bedanken uns nochmal ganz doll dafür, soviel Engagement und Herzlichkeit, das hat uns doch überwältigt.
Aber das war ja noch nicht alles. Unser Programm “musste” noch zu Ende gebracht werden und so wurden wir gleich noch zum See gefahren, auf dem wir die geplante Bootsfahrt um die Insel mit dem berühmten „Lake Palace“ machen durften, der auf dem See zu schweben scheint. Viele von euch kennen ihn ganz sicher aus dem James Bond Film „Octopussy“. Nach einem kurzen Aufenthalt auf der zweiten Insel mit dem Jang-Mandir-Inselpalast, fahren wir, als einzige Touristen in einer fast unheimlichen Stimmung wieder zurück zur Anlegestelle – und nun endgültig zum Flughafen. Wir behalten Udaipur als eine der romantischsten Gegenden Indiens in Erinnerung.
Wie es dann weiterging haben wir ja bereits in unserem Krisenbericht geschildert. Hier noch zur Vervollständigung die letzten Ereignisse zusammengefasst:
Wir saßen ja nun mit dem anderen deutschen Ehepaar, Gerlinde und Wolfram, die wir von dieser Stelle aus herzlich grüßen, im Hotel in Delhi fest und warteten auf Nachrichten aus dem Tourist-Büro. Gulati Kapil, unser „Kontaktmann“ in Delhi, hat ganze Arbeit geleistet. Ich glaube, sein Büro und auch das Büro von DIAMIR in Leipzig, Frau Michel, haben 24 Stunden durchgearbeitet, damit sie uns vier noch irgendwie aus dem Land bekommen.
Am nächsten Tag kam Gulati zu uns ins Hotel, um uns mitzuteilen, dass er für den 23.03. Flüge hat. Große Erleichterung machte sich breit, es war Freitag, das Wochenende bringen wir rum, auch mit der verhängten Ausganssperre, kein Problem … wir redeten noch munter miteinander, als Gulati plötzlich wieder ernst wurde und die neueste Nachricht auf seinem Handy las: Ab dem 22.03. wird der Flughafen Delhi geschlossen.
Wir können nicht beschreiben, was diese Nachricht für uns in diesem Moment bedeutet hat. Eine so große Enttäuschung! Was nun, kommen wir überhaupt noch raus? Wir haben Ausgangssperre, können nichts tun und sind völlig ausgeliefert.
Gulati fuhr noch mit den Männern in den nächsten Likörshop, um ein paar Flaschen Bier zu holen, da es in dem Hotel keinen Alkohol gab und sie der Meinung waren, wir brauchen zumindest jeden Tag eine Flasche Bier zum Überleben.
Der Abend verlief ziemlich ernst und eintönig. Was für ein Glück, dass wir übers Internet mit Familie und Freunden verbunden waren. Ihr habt uns sehr rege und aufmunternd begleitet, wir bekamen eine Zeichnung von unserem Enkelsöhnchen, aufmunternde, auch witzige Zeilen von unserem Sohn, die uns tatsächlich halfen – und immer wieder liebe Worte von unseren Freunden. Alle haben uns geschrieben, verschiedene Hilfs-Ideen geliefert, die dann aber leider doch nicht umsetzbar waren.
Am nächsten Abend erreichte Gerlinde und Wolfram die Nachricht, dass sie sofort packen sollen, sie haben einen Flug noch in der Nacht. Das gehortete Bier wechselte noch schnell seinen Besitzer, somit könnten wir uns wenigsten betrinken … Galgenhumor. Wir drückten aber ganz feste die Daumen, dass sie es schaffen, haben sie auch. Am nächsten Morgen schon kam dann für uns die Nachricht, wir werden mit der Oman Airways nach Muscat und von dort aus nach München fliegen können. Puuuhhh. Glauben konnten wir es erst, als wir im Flieger saßen.
Letztendlich hat alles gut geklappt, wir sind glücklich und erleichtert wieder zu Hause zu sein – und auf der anderen Seite ebenso dankbar für alles Erlebte. Wir haben auf unserer Reise so viele liebe Menschen getroffen – und eben auch festgestellt, wie viele liebe Menschen wir hier zu Hause in unserem Verwandten- und Freundeskreis haben, die uns so wunderbar moralisch unterstützt haben. DANKE!
Am Montag, dem 23. März, hatten wir dann folgendes passendes Kalenderblatt.
In diesem Sinne grüßen ganz besonders herzlich und dankbar,
eure Weltenbummler
Barbara & Paul
Danke Paul für deinen tollen Reisebericht. Super schöne Eindrücke.
Machte vor ca. 20 Jh. fast die gleiche Tour, auch Tasch Mahal war noch dabei.
Danke und liebe Grüsse aus dem Montafon
Gertraud
Hallo Barbara und Paul,
habe jetzt erst alle Berichte gelesen, war vorher nicht in Stimmung.
Mich hat die Reise sehr beeindruckt und ich kann gut verstehen, wenn ihr nochmals in dieses interessante Land fliegt und den Rest von der Reise sehen wollt. Bericht und Fotos wieder super, so wie wir es von Euch gewohnt sind!!!
Gibt’s in Indien keine Probleme Menschen zu fotografieren?
Ich wünsche Euch ein baldiges wiedersehen mit Indien, bin dann auch dabei.
Ganz liebe Grüße ins Nachbarhaus und eine feste Umarmung Renate
Danke für den netten Nachbarschafts-Kommentar! Nein, die Menschen in Indien haben sich sehr gerne fotografieren lassen, Paul hat ja immer gefragt. Lustig war, dass sie oftmals ebenfalls von uns ein Foto wollten, so war es überhaupt kein Problem.
Herzliche Grüße in die Nr. 4, mitsamt einer virtuellen Umarmung!!
Barbara
Hallo, super Bilder und Berichte. Und- ihr seid ja hohes Risiko mit Rückkehr eingegangen. Der Sohn meiens Praxiskollegn ist auch nur auf dessen drängen am gleichen, letzten Tag aus Indien rausgeflogen. Nach seinem Bericht ist danach dort ein Chaos ausgebrochen, da alle Wanderarbeiter zurück in ihre Heimatort wollten.
Uschi und Günther
Liebe Uschi, lieber Günther,
danke! Ja, wir sind richtig froh, denn momentan herrscht ein wenig Anarchie, wenn man die Berichte sieht. Die Menschen sind aber auch arm dran in dieser Zeit, auch unsere Reiseführer und unser Fahrer … im Prinzip sind alle erstmal arbeitslos. Und das voraussichtlich auf längere Zeit. Sie werden von keinem Rettungsschirm oder Sozialsystem aufgefangen. Wir sind sehr oft in Gedanken bei den Menschen dort …
Liebe Grüße und auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen, Barbara & Paul